Bluebird Diaries Part 1
Ein altes Auto zu zu pflegen, zu erhalten und womöglich auch zu modifizieren: das kann sehr viel Spaß machen, aber auch richtig viel Geld und Nerven kosten.
Wenn man sicher aber bereits mittendrin im Strudel befindet, also schon ein altes Auto erhalten, gepflegt und modifiziert hat, aber verrückterweise plötzlich Lust auf mehr bekommt, bietet es sich immer an, im gleichen Teich zu angeln.
Sprich, mindestens die identische Marke, im besten Fall aber auch das gleiche Modell zu wählen.
Die Vorteile dafür liegen quasi auf der Hand, neben der 10er-Nuss:
Teile, die man eh schon hat, passen wahrscheinlich, man kennt die Leute in der Szene, auch die Shops und Händler und die Eigenheiten der Marke.
Genau aus diesen genannten Gründen gesellte sich Mitte September 2021 zu unseren beiden schon vorhandenen NISSAN 200 SX S13 und einem ’87er NISSAN Bluebird T12 ein weiterer Bluebird, dieses Mal aber das Facelift mit dem Modellcode T72, Baujahr 1989 (ab Mitte 1990 kam ja schon der Primera) und mit knapp 130tkm auf der Uhr.
Es handelt sich konkret um einen 2.0 SLX, das bedeutet, der Silberfisch ist ein 2 Liter Benziner mit Kat, Einspritzung und Doppelzündung, der 105 PS und 160 Nm leistet, in unserem Fall verbunden mit einem 5-Gang-Getriebe (eine Automatik gabs auch und das gar nicht mal so selten) und die Kraft an die Vorderräder abgebend.
SLX steht für die Topausstattung, wobei wir nach dem Kauf feststellen mussten, dass das Facelift von T12 auf T72 offenbar einige Verschlechterungen mit sich gebracht hatte. Hier jeweils links zum Vergleich der (blaue) Innenraum meines T12 gegenüber dem braunen Innenraum des T72.
Keine horizontal verstellbaren Kopfstützen mehr, die Zünd- und Türschlossbeleuchtungen sind verschwunden und auch die einst stilbildenden Entlüftungsschlitze am Heck wurden deutlich glatter und weniger prägnant gestaltet.
Aber die Ausstattung ist für ein 80er-Jahre-Auto trotzdem ansehnlich:
So hat unser T72 ein originales, elektrisches Glasschiebedach. Das sich perfekt mit den elektrischen Spiegeln, Fenstern und der Zentralverriegelung ergänzt, die zusammen mit der Servolenkung, der vielfach verstellbaren Intervallschaltung der Scheibenwischer, den roten Ausstiegsleuchten in allen Türen und dem kompletten Veloursbezug des Innenraums für einen behaglichen und komfortablen Aufenthalt sorgt.
Der Playboy-Bunny des Vorbesitzers verleiht dem Birdy die perfekte Naughty Gentleman-Note.
Die bereits montierten und eingetragenen ATF-Alufelgen Typ B in 7×15″ (glücklicherweise inklusive Gutachten) waren ein zusätzliches Bonbon, leider hatte das Salz der vielen vergangen Winter seit 1989 bereits ganze Arbeit geleistet. Aber dazu später mehr…
Ja richtig gelesen, ATF-Felgen, nicht ATS oder AEZ.
Laut Internet war Auto Tuning Flick ein typischer deutscher Kleinhersteller von Alufelgen, dessen Geschäft aber bereits 2001 seine Pforten schloss.
(Die Firma ATF-Tuning, die man als ersten Google-Treffer findet, hat keinen Bezug zu dem ehemaligen Anbieter.)
Eine Klimaanlage war damals übrigens bestellbar, aber da der Klimawandel damals noch eine absolute Dystopie einiger weniger Schwarzmaler war und sich noch nicht in 40°-Dürresommern bemerkbar machte, bestellte auch kaum ein deutscher Kunde dieses durchaus kostspielige Extra.
Von den in Japan, England oder Spanien gerne verbauten Goodies wie Tempomat, elektronisch verstellbaren Fahrwerken, elektrisch aufblasbaren Sitzwangen uvm. gar nicht erst zu sprechen. Auch den Turbomotor mit 135 PS behielten die Engländer für sich (der Bluebird war das erste Modell, das im englischen NISSAN-Werk Sunderland endmontiert wurde). Immerhin gab es in Deutschland noch die Sportversion Grand Prix, die man wahlweise mit dem 105 PS-Motor oder einem 1.8 Liter 16 V bestellen konnte, der 129 PS durch eine höhere Drehzahl erzeugte.
Aber zurück zu unserem guten Stück:
Der Vorbesitzer war offenbar nicht nur Playboy-Fan, sondern auch passionierter Jäger, wir fanden einiges, angefangen vom Zielfernrohr fürs Gewehr, über einen tragbaren Jagdsitz, einem Warnschild aus dem Schützenverein, leider auch viele Hundehaare im Kofferraum. Wau.
Der am Ende unangenehmste Beweis für die Jagdtätigkeit des Mannes waren aber jeweils ca. 2 Kilogramm feinster Waldboden, den wir aus den bereits korrodierten Endspitzen der vorderen Kotflügel ausgruben. Pro Seite.
Die erste Recherche nach neuen Kotflügeln aus dem Aftermarket war im ersten Moment absolut einfach, leider kamen dann aber Kotflügel von einem NISSAN Almera und einem NISSAN Sunny bei uns an.
Vom gleichen Versender. Per Sperrgut. Wir mussten es zurückschicken. Auf eigene Kosten.
Das „Kot“ in Kotflügel kam uns in diesem Moment fett- und großgeschrieben vor.
Und das war erst der Anfang einer Odyssee, die sich über viele Monate ziehen sollte.
Neue Kotflügel waren aber die Voraussetzung für eine erfolgreiche Hauptuntersuchung.
Die sonstigen Mängel wie undichte Bremszylinder oder ein gerissenes Flexrohr waren dagegen schnell beseitigt.
Auch einen neuen Kühler als Ersatz für den lamellenlosen alten Wakü gabs, sogar von der legendären Marke Koyo, der Kühlerlüfter wurde dagegen aufbereitet und die Zarge gepulvert.
Wie man gut sehen kann, hatte der Bluebird einen ziemlichen Wartungsstau, der Filter war zwar immerhin original NISSAN, aber möglicherweise auch noch der erste.
Das war schon Teil 1 der Bluebird Diaries, weiter gehts in Kürze mit Teil 2, dann sind wieder die endlose Suche nach neuen Kotflügeln und noch einmal die salzigen Alufelgen Thema und wir klären auch auf, was es mit dem Schriftzug „Fischer-Edition“ auf sich hat.
Bis dahin Petri Heil und bestellt Karosserieteile immer mit der Fahrgestellnummer, wenn möglich.
Text und Bilder: