Im beinahe fernen Osten

Vorwort:

Der ein oder andere hat möglicherweise inzwischen mitbekommen, dass ich aus beruflichen und privaten Gründen in den fernen Osten, naja sagen wir „beinahe“ fernen Osten gezogen bin.

Und zwar nach China.

Aus diesem Grund werden zukünftige Berichte von mir sich meist auch mit diesem Themengebiet befassen.

Vorab sei gesagt, dass das Thema China gerne dazu anregt, politische Diskussionen zu starten.

Wir werden uns in keinster Weise auf irgendwelche politischen Debatten etc. einlassen, in dieser Reihe geht es allein um das Thema Auto.

 

Wo also fangen wir an……

Viele Europäer vermuten wahrscheinlich, dass man hier in China sein Auto verändern kann, wie man will und es somit das reinste Tuningparadies sein muss.

 

Aber haben wir vorher überhaupt jemals etwas von dem Thema „Tuning in China“ gehört? Sehr wahrscheinlich nicht.

Als ich selbst versuchte, mich vor meinen Umzug zu informieren, stellte ich schnell fest, dass irgendwie keiner wirklich sich hier mit diesen Thema und der gesetzlichen Lage dazu auskennt.

Über die Zollbestimmungen zu meinem Umzugsgut habe ich dann schnell den ersten Anhaltspunkt bekommen:

Dort existiert ein extra Absatz, dass es nur Diplomaten gestattet wäre, Autos zu importieren und das zudem auch nur LHD Autos in China gestattet seien. RHD ist somit hier illegal!

 

Meine erste Reaktion: Verdammt! Aber aus einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist es vermutlich gar nicht so ganz verkehrt.

Es gibt schließlich sehr viele reiche Chinesen die ihren Status auch gerne zeigen.

Man stelle sich nun vor, alle diese Menschen würden sich für schöne JDM-Klassiker wie Skyline, Supra, RX7 oder NSX begeistern dürfen.

Welchen Effekt hätte dies auf die Preise? Eben. Seien wir froh, dass es nicht so ist.

Auch beim Thema STVZO und Tuning gibt es, wie man sich denken kann, gewaltige Unterschiede, aber diese sind vermutlich anders als die meisten vermuten würden.

Die Verkehrsregeln lernte ich inzwischen für meinen chinesischen Führerschein. Für diesen musste ich als Deutscher erstmal meine Dokumente übersetzen und anerkennen lassen sowie einen Schrifttest machen, der 100 Fragen beinhaltet.

Diese Regeln sind ausgesprochen streng, oft sogar strenger noch als bei uns in Deutschland!

Wer schon einmal in China war, denkt sich jetzt möglicherweise: „Bulls**t! Die fahren doch wie die letzten Penner.“

Den gleichen Gedanken hatte ich auch, um ehrlich zu sein. Die Regeln existieren, aber keiner interessiert sich dafür (zumindest die meisten).

Verkehrspolizei hab ich bis auf Alkoholkontrollen noch nie gesehen. Diese findet dann in Form einer 100%igen Straßensperrung statt.

Hier wird bekanntlich auf Überwachungskameras gesetzt.  Nur sind diese irgendwie immer kaputt, und werden nicht mehr repariert.

Daran merkt man wie jung in China eigentlich der große Individualverkehr ist, im Vergleich zu der Situation bei uns.

 

Strengere Regeln, auf die auch stark geachtet wird:

  • 100%iges Alkoholverbot im Verkehr (bis zu zwei Jahre Gefängnisstrafe, wenn man erwischt wird)
  • Manipulation von Nummernschildern (Führerscheinentzug, 12Punkte Strafe)
  • Rote Ampeln und Zebrastreifen (überwacht durch Kameras, 6Punkte Strafe)

(Das Punktesystem reicht bis maximal 12 Punkte innerhalb einer Periode, diese wird jedes Jahr zurückgesetzt)

Aber nun zu dem Thema, das wohl die meisten Leser hier interessiert, dem Tuning.

Wir als leidgeprüfte Deutsche denken uns: Irgendwie muss es in China ja gehen. Wie sich einige erinnern, sind schließlich 2019 zwei verrückte Chinesen in ihrem alten, getunten Passat den ganzen weiten Weg von Guangzhou (Nähe Hong Kong) über den Landweg bis zum Wörthersee gefahren! Und dieser hatte schicke BBS Felgen und ein sattes Airride verbaut.

 

Wie also ist das nun möglich, wenn doch alles so streng und reglementiert ist?

Dank eines Chinesen, den ich einmal durch Zufall auf dem Heimweg traf und mit dem ich wegen seines modifizierten Mitsubishi Lancers in Gespräch kam, habe ich nun einige mehr Insider-Infos zu der ganzen Sache erhalten:

 

 

 

Wie er es mir beschrieben hat, gibt es das sogenannte „Soft-Tuning“. Dieses beinhaltet Umbauten wie das Fahrwerk, die Felgen, das Lenkrad, den Luftfilter, den Auspuff und einige andere kleinere Sachen.

Solange dieses nicht zu extrem ausfällt und man nicht bewusst durch Posen und das bewusste Motoraufheulenlassen auffällig wird, wird man, je nachdem wo man ist von der Polizei schlicht und einfach ignoriert.

 

Der Lancer-Besitzer sprach von einem stillen Quasi-Abkommen zwischen den Tunern und der Polizei.

Es ist natürlich aber auch so, dass einer, der aus der Reihe tanzt und es übertreibt, alle anderen mit runterzieht.

Da hier nichts, aber auch gar nichts eintragbar ist, muss das Fahrzeug in einem solchen Fall komplett in den Originalzustand zurück gebaut werden.

Eine Katastrophe für jeden Auto-Enthusiasten, das ist klar.

Durch diesen Druck gibt es aber auch einen gewissen Zusammenhalt unter den Tunern hier.

Das sogenante „Hard-Tuning“ betrifft Motortuning-Maßnahme wie Chiptuning, Motorswap etc.

Ein solches „Vergehen“ führt automatisch zum kompletten Verlust des Fahrzeuges! Trotzdem gibt es einige, die es riskieren.

Der China-TÜV hat wie bei uns einen zweijährigen Rhythmus und ist für alle Fahrzeuge verpflichtend. Dafür müssen diese zwingend im Originalzustand sein…

Okay, so ganz korrekt ist das mit dem Rhythmus auch nicht, denn, umso älter ein Fahrzeuge ist, desto häufiger muss es zum TÜV.

Ab einem Fahrzeugalter von 15 Jahren müssen Autos so gar zweimal innerhalb eines Jahres zur Überprüfung!

Da stellt sich natürlich die Frage: Wie bewerkstelligen die Tuner das dann überhaupt?

Ganz einfach: sie können einen Mittelsmann beauftragen, der das Auto gegen eine gewisse Gebühr dem TÜV vorführt, damit die Umbauten keine Beachtung finden.

Wenn es nur das ist, was sollte dann noch am Tuning ein Problem sein? Leider ist es auch dann doch nicht ganz sooo einfach.

Denn mit dem Tuning erlischt automatisch der Versicherungsschutz! Bei einem Unfall wird die Polizei gerufen und diese entscheidet, wer für den Unfall verantwortlich ist.

Wenn dann natürlich ein beteiligtes Auto einen dicken Auspuff und Tuning-Felgen hat, ist es nicht schwer, sich auszudenken, für wen es wohl am ehesten unvorteilhaft enden könnte.

Und so ein Unfall ist hier wirklich schnell passiert. Denn hier gibt es sehr sehr viele E-Roller.

Für einen solchen Roller braucht man die ersten zwei Jahre keinen Führerschein, da diese am Anfang als Fahrrad gewertet werden und auf der Fahrradspur (oder wie es hier heißt: „nicht motorisierte Fahrzeugspur“) fahren „sollten“.

Die Dinger sind ca. 25km/h schnell, fahren nachts oft ohne Licht (Reichweite!), und nutzen Zebrastreifen, um die Straße zu überqueren.

Von vorausschauendem Fahren mit Helm brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Und diese lästigen Verkehrsteilnehmer begegnen dir spätestens an der nächsten Kreuzung oder dem erwähnten Zebrastreifen. Das ist schon äußert abschreckend!

Meiner Meinung merkt man hier deutlich, dass die Leidenschaft für das Auto hier bisher nur ein ganz kleiner Funken ist!

Es ist auffällig, dass die heranwachsende Generation als Spielzeug eher das Supercar á la Ferrari und Maserati (sehr beliebt und häufig in China) bekommt, als einen Nissan Skyline oder Honda Civic. Auch ist man hier eher der Meinung, dass alte Autos doch nur ständig kaputt sind und somit unsicher, deshalb lieber immer was Neues kaufen! Und da wir bereits beim Thema „Neues kaufen“ sind, den typischen Gebrauchtwagenhandel wie bei uns sucht man hier vergebens, es gibt nur die offiziellen Händler. Somit ist fraglich, ob dieser Funken mit der Zeit noch den nötigen Sauerstoff bekommt um zu entfachen?

Ich hoffe, ich konnte euch bereits einen kleinen Einblick gewähren und hoffentlich auch weiteres Interesse an diesem Thema wecken.

Über Fragen freue ich mich, vielleicht bekommen wir dazu ja einen kleinen Fragen-Antworten-Beitrag zusammen.

Und falls die Frage aufkommt, ob ich denn selbst das Thema vermisse: Ja, aber hier würde ich meinen Skyline nicht fahren wollen.

Zu viele Temposchwellen und zu viele Leute, die auf das Eigentum anderer nichts geben.

Deshalb steht der R31 sicher in der deutschen Heimat, aber auch in meiner Abwesenheit tut sich daran einiges.

Vielleicht schreibe ich über den Fortschritt mal wieder einen Bericht, sofern euch das alte Ding interessiert 😉

 

Christian Farkas – USED4.net